Die Nacht war nicht die beste und der Untergrund nicht der geradeste. Eher spät gegen 9 oder 10 waren wir aus den Zelt gekrochen um uns auf einen Stein zu setzen und das Frühstück vorzubereiten. Während man auf seinem Brot rumkaut und seinen Kaffee schlürft, streift man mit seinem Blick immer wieder die Zelte und es graut einem schon vorm zusammenpacken.
Wer mehr der Wanderer ist der in Hütten nächtigt oder einfach nur Tagestouren geht, der weiß vielleicht nicht genau was ich meine oder ist aus eben diesem Grund wieder auf Tagestouren oder Hüttenwanderungen umgestiegen. Man muss echt nur auf das Zelt gucken und sieht vor seinem geistigen Auge das Chaos im Inneren, denn man hat natürlich fast den ganzen Rucksack ausgeräumt und das muss alles wieder rein, damit man am nächsten Abend wieder alles auspacken kann.
Das macht nicht viel Spaß, alleine, wenn man daran denkt wie man das Zelt zusammenpacken muss. Zelte haben die Angewohnheit in ziemlich kleinen Verpackungen ausgeliefert zu werden und wenn man es das erste mal auspackt stellt man erstaunt fest das noch erstaunlich viel Platz ist. Sobald man es allerdings einmal aufgebaut hat passt es nur schlecht und manchmal kommt es mir so vor als würde das Zelt jedesmal größer werden. Aber ich war noch nie besonders begabt darin Dinge in kleine Verpackungen zurück zu tun.
Das Ganze wird auf der ganzen Trekking Tour zu einer Art Ritual was man jeden morgen wiederholt und welches jeden Morgen wieder zwischen 1-2 Stunden (inkl. frühstücken) dauert, was natürlich auch von der eigenen Verfassung abhängig ist.
Hat man diese Hürde genommen und alles wieder zusammen gepackt greift man zum Rucksack und stellt fest das er doch erstaunlich schwer ist. Für mich persönlich ist der zweite Tag der schlimmste auf jeder Tour. Gerade weil man aus dem Zelt kommt und sich erstmal dreckig und kaputt fühlt. Außerdem ist man auch noch weit weg vom eigentlichen angestrebten Ziel. Von da an geht es bergauf. Man gewöhnt sich dran, man entwickelt seinen eigenen Tagesrythmus beim Wandern und fühlt sich gar nicht mehr so schlecht. Leider kommt man nie um den zweiten Tag herum…
Das erste, was wir erledigen mussten nach dem Einpacken der Sachen, war die Beschaffung von neuem Wasser. Wenn man zu Hause ist stellt sich diese Aufgabe als sehr einfach dar, wenn man aber im Wald ist, bringt das Ganze ein paar Schwierigkeiten mit sich. Klar wir hätten auch einfach irgendwo klingeln können und nach Wasser fragen (was wir später auf der Tour auch gemacht haben), aber als richtige „Outdoorer“ die nichts schocken kann, beschafft man sich sein Wasser am Besten aus fließenden Gewässern.
Es gibt auch technische Errungenschaften wie Wasserfilter, mit denen man sogar das Wasser aus Pfützen filtern und trinkbar machen kann. Nur sind fast alle technischen Errungenschaften auch mit zusätzlichem Gewicht und Anschaffungskosten verbunden und da wir weder die Lust hatten mehr zu schleppen geschweige denn das Geld so ein Wunderwerk der Technik käuflich zu erwerben, mussten wir auf eine Notlösung zurückgreifen.
Man nimmt eine Flasche, ein sauberes Geschirrtuch und einen kleinen Bach. Das Geschirrtuch über die Öffnung der Flasche halten und dann das Ganze im Wasser versenken. Das Geschirrtuch erfüllt dabei den Zweck zu verhindern das Fische in die Flasche schwimmen oder kleine Holzstückchen den Trinkgenuss vermindern, denn sonst filtert das Ding nichts. Wenn man nach dieser Methode vorgeht kommt man relativ schnell zu mehr oder weniger lecker schmeckenden, braunem Wasser.
Diese Notlösung sollte man allerdings wirklich nur im Notfall ausprobieren und auch nur in Gebieten wo es sauberes, gutes Wasser gibt, weil sonst verbringt man ganz schnell die Trekking Tour mit dem Hintern über nem Baumstamm, weil der Magen einfach nicht mit den vielen Bakterien fertig wird.
Abgesehen von der Wasserversorgung bereitete uns auch die Wegfindung am verflixten, zweiten Tag Probleme. Nur kurze Zeit nach dem Aufbruch und dem Auffüllen der Flaschen sahen wir uns damit konfrontiert keine Markierungen mehr zu erblicken. So schnell geht das, sich einen ca. 2 Stunden langen Umweg einzubrocken, nur weil man ein bisschen zu dumm ist eine Karte zu lesen bzw. eine vernünftige zu kaufen.
Zuerst folgten wir irgendwelchen blauen Markierungen, weil ich meinte diese auch schon öfters am Wegesrand gesehen zu haben. Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um Markierungen für Bäume, die gefällt werden sollten, handelte. Zumindest standen wir am Ende vor ziemlich viel gefällten Bäumen mit einer blauen Markierung.
Als auch ich dann endlich eingesehen hatte, dass wir den Weg verloren hatten, schlugen wir uns mit unserer „tollen“ Karte zurück, zu dem Punkt, wo wir uns verlaufen hatten, um dann festzustellen, dass wir nur über die Straße gemusst hätten. Aber wir sind ja lieber einen Berg in die vollkommen falsche Richtung raufgelaufen. Eine ganze Weile liefen wir dann noch verwirrt durch die Gegend bis wir wieder zu unserem Ausgangspunkt zurückgefunden hatten.
Man kann dieses Erlebniss natürlich aus 2 Perspektiven sehen, einerseits hatten wir so ein wenig mehr Gelegenheit, die kleinen schwedischen Dörfchen zu sehen und ein wenig bei schönem Wetter an der Straße entlang zu spazieren, andererseits war es ein Umweg, der uns bei viel zu hohen Temperaturen und Sonne ca. 1 1/2 Stunden gekostet hatte, die wir totgeschlagen hatten, in dem wir an einer Straße entlang gegangen sind um den Ausgangspunkt des ganzen Schlamassels zu finden.
Meine Motivation war zu diesem Zeitpunkt doch ein Stück weit im Keller. Als wir den Weg dann wieder gefunden hatten sind wir nur ein paar Meter gegangen und um dann auf einer Wiese Pause zu machen und unser braunes Wasser zu genießen. Für uns war in diesem Moment völlig klar, dass meine Eltern uns wahrscheinlich überholt hatten und wir schon relativ lange unterwegs waren und kaum etwas geschafft hatten.
Eine dreiviertel Stunde lang lagen wir einfach nur da und freuten uns darüber wieder auf dem Weg zu sein. Während wir so da lagen kamen 2 ältere Damen vorbei mit den wir uns ein wenig auf Englisch unterhielten. Die beiden hatten kleine Rucksäcke bei sich und sagten das sie das schöne Wetter auch nutzen würden um ein wenig zu wandern. Als wir uns dann wieder aufraffen konnten um weiter zu gehen, stellten wir zu unserer Freude fest das der Weg nicht sehr schwierig war.
Es handelte sich eigentlich nur um einen schmalen Trampelfad, der durch den Wald führte ohne irgendwelche nennenswerten Steigungen oder andere Schwierigkeiten. Später ging der Trampelfad dann auch zu einem richtigen Weg über, der nicht die ganze Zeit durch den Wald führte sondern auch an großen Wiesen vorbei. Klingt an und für sich ganz schön. Mir wäre es aber lieber gewesen nur durch den Wald zu gehen, denn da war man wenigstens ein bisschen vor der Sonne geschützt.
Wir gingen immer weiter bis wir auf unsere erste Schutzhütte trafen. Sie lag direkt neben einer wenig befahrenen Straße an einem Fluss mit wunderbar braunem Wasser (was man übrigens auch trinken konnte). Was einem sofort auffiel war allerdings, dass dort vereinzelt Müll rumlag und die Mülltonne beschädigt war, ansonsten war dieser Platz genial. Die Hütte war mit der offenen Seite Richtung Fluss gerichtet. Außerdem gab es eine Feuerstelle und ein Plumpsklo. Alles war in erstaunlich gutem Zustand.
Die Entscheidung fiel uns nicht schwer dort zwei Stunden Pause zu machen. Da es in Schweden fast überall erlaubt ist zu schwimmen solange man die Natur nicht beschädigt, nahmen wir das auch gleich in Angriff. Es war herrlich sich nach dem ganzen Schwitzen mal wieder etwas sauber zu fühlen. Den Rest der Zeit verbrachten wir damit Mittag zu kochen, die Klamotten trocknen zu lassen und einfach nur das schöne Wetter zu genießen.
Zum Mittag gab es irgendein, aus Deutschland mitgebrachtes, Reisgericht und zwar für jeden eine ganze Tüte, als ich das auf der Verpackung angebene Gewicht erblickt hatte. Das Praktische war, man brauchte nur 2 Esslöffel Wasser um das ganze zuzubereiten. Aber ich war ganz klar der Meinung das 250 g für eine Tüte von dem Reis einfach zu schwer ist. Geschmeckt hat es klasse aber ein halbes Kilo für 2 Gerichte sind echt übertrieben.
Nach dieser Pause ging es weiter und was ist es, was man sich gleich danach wieder wünscht, richtig eine Steigung! Und wir mussten feststellen, dass die ursprüngliche Freude über das neue braune Wasser schnell verflogen war, weil es ebenfalls gefühlte 100 kg Gewicht mit sich brachte. Da half auch der abgeworfene Reisballast nicht viel. Der Aufstieg,der wahrscheinlich weit weniger heftig war als er sich für mich in diesem Moment anfühlte führte uns auf einen steinigen Hügel auf dem wir ein paar Meter entlang wanderten um etwas später auf vereinzelte Häuser und eine Straße/Waldweg zu treffen.
Der Straße mussten wir ein paar Meter folgen bis wir zu einer Stelle kamen wo wir uns nicht ganz sicher waren wo es lang ging, da der Richtungspfeil einfach nur abgebrochen auf dem Boden lag. Also teilten wir uns auf um uns nach wenigen Minuten wiederzutreffen. Doof nur, dass in dieser Zeit keiner von uns eine Markierung gefunden hatte. Also nahm ich den Richtungspfeil und schlug ihn so in den Boden, wie wir auch gegangen waren, was sich glücklicherweise auch als richtig erwiesen hatte.
Von nun an ging es wieder in den Wald hinein und der Weg verlor sich ein wenig in der Wildnis. An manchen Stellen waren mal Markierungen, die aus irgendwelchen Gründen schwarz übermalt wurden und so gingen wir einfach auf gut Glück weiter bis wir plötzlich mitten in einem Garten standen. Allerdings ging von dort ein kleiner Trampelpfad weiter, der in Wald hineinführte. Hier ging es schön steil bergauf, so dass wir uns nach der Hälfte des Weges an einem großen Stein ausruhen mussten.
Während ich eine Zigarette rauchte, entschied sich Fabi schon mal ohne Rucksack 2-3 m weiterzugehen um sehen zu können was noch auf uns zukommen würde. Als ich da ganz alleine am Stein lehnte und die Mücken anfingen mich zu zerfressen merkte ich das die Natur mich rief. Bis jetzt war ich noch nie gezwungen gewesen im Wald mein Geschäft zu verrichten. Ich erinnerte mich nur an Fabis Worte: „Such dir entweder was woran du dich festhalten kannst oder noch besser eine Art Balken.“ Ich schnappte mir meine Klappschaufel und das Klopapier. Um Fabi wissen zu lassen wo ich bin legte ich einfach etwas Klopapier auf den Stein und begab mich in den Wald.
Nach mehreren Metern war ich sicher, den richtigen Balken gefunden zu haben. Es hätte eigentlich auch kein anderer Balken werden können, denn ich glaub nicht, dass ich noch genug Zeit gehabt hätte um mir noch einen aussuchen zu können. Also klappte ich meine Schaufel auf und fing an ein Loch zu buddeln was mir aufgrund des harten Untergrundes und dem Zeitdruck nur recht mangelhaft gelingen wollte.
Im Wald sein Geschäft zu verrichten ist glaube ich der unangenehmste Teil von einer Tour in der Wildnis. Ich meine, klar man kann sich dran gewöhnen, aber ich kann mir nicht vorstellen das irgendjemand einen umgekippten Baum vorziehen würde, wenn er auch einen Wasserspüler wählen könnte. Besonders in einem Land wie Schweden mit so verdammt viel Mücken.
Als ich fertig war hatte ich nicht nur 3 Mückenstiche mehr sondern es machte sich in mir auch das Gefühl breit jetzt ein richtiger Mann zu sein, denn richtige Männer machen auch einfach in die Wälder. Es ist komischerweise nie die Rede davon das richtige Männer ihr hellblaues Klopapier danach unter Tonnen von Laub verbuddeln müssen.
Fabi erzählte mir zwar das er sich ein wenig gewundert hatte wo ich hin war sich aber schon seinen Teil gedacht hatte nachdem er das Klopapier auf dem Stein erspähte. Er wies mich dann noch, passend zum Thema, darauf hin das ich beim Gehen etwas auf den Kuhmist aufpassen sollte, der überall lag. Von da an ging es nämlich über eine Kuhwiese durch eine dieser typischen kleinen schwedischen Siedlungen mit 2 bis 3 Häusern.
Einen Moment schweiften meine Gedanken zu der Frage, wie es wohl wäre, wenn auch Kühe Klopapier benutzen würden und gelangte zu dem Schluss, dass die kleine Siedlung von einem Hubschrauber aus nicht zu übersehen wäre, da zwangsweise ein riesiger hellblauer Haufen aus Charmin Klopapier die Stelle markieren würde. Ganz zu schweigen von den Einnahmen der Klopapierfirmen die in die Höhe schnellen würden.
Wir gingen diesen Abend nur noch ein paar Meter weiter aus dem Dorf heraus und hatten die Wahl zwischen 2 Plätzen wo wir unsere Zelte aufstellen konnten. Einem Platz direkt an dem was hierzulande eine Straße war, aber in Deutschland höchstens unter Waldweg fallen würde, und wahrscheinlich den einzigen Ausweichpunkt für ein entgegen kommendes Auto im Umkreis von 5 km darstellte oder einem Platz mit einem genauso beschissenen Untergrund wie am ersten Abend.
Wir entschieden uns für den unebenen und steinigen Platz. Aber wir hatten ein Sofa oder naja besser gesagt sowas ähnliches. Es handelte sich bei unseren Sofa um einen komplett, mehrere cm dick mit Moos zugewucherteten Stein der bequemer war als alles Andere in diesem Urlaub.
Wir bauten nur unsere Zelte auf und ich verzichtete mutigerweise sogar auf das Außenzelt. Ich war einfach geschafft und hatte keine Lust noch mehr zu machen. Auf die Frage von Fabi wie das mit Essen aussieht lautete meine Antwort nur: „Du kannst dir gerne was machen, aber ich hab keinen Bock mehr“. Nach dem ich Fabi zugesehen hatte, wie er das essen kochte und aß, beteiligte ich mich nur dadurch am Essen, dass ich eine relativ ekelhaft süße Getränkepulversache trank und etwas von der heißen Tasse auf unser Sofa schüttete.
Danach gings dann ins Bett oder besser gesagt ins Zelt. Zum Lesen hatte ich keine Lust mehr, aber ich fand andersweitig ein wenig Unterhaltung, denn Fabi rutschte mit seiner Luftmatratze immer in Richtung Fußende vom Zelt wodurch ich noch ein wenig schmunzeln konnte, jedesmal wenn er leise fluchte.